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Von 300 auf 30m²: Kleingarten-Tiny-Haus

   
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  •  leitwolf
  •   Gold-Award
18.7. - 19.7.2025
11 Antworten | 8 Autoren 11
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Von 300 auf 30m²: Unser Kleingarten-Tiny-Haus
Ich habe die Vorstellung des Projektes immer wieder vor mich hergeschoben. Da ich nun gerade auf Kur bin, nutze ich die Zeit, um eine Diskussion zum Thema „Tinyhouse“ zu starten. Um den Faden nicht auf zu viele Einzelthreads zerreißen zu müssen, werde ich für die Haustechnik einen zweiten Thread eröffnen, jedoch alle anderen Themen mit weniger Essenz auch hier abhandeln.
Vorgeschichte:
Ich habe 20 Jahre in einem Zweifamilienhaus in der Nähe von Tulln mit insgesamt ca. 300 m² Wohnfläche gelebt, das von 2000 bis 2010 mit viel Eigenleistung erweitert und energetisch generalsaniert wurde. Es war ein Altbau Bj 1956, an dem bis dahin nur ganz wenig modernisiert wurde. Eigentlich wäre dieses Objekt auch einen Thread wert, da man daraus viel ableiten kann, was man aus heutiger Sicht noch immer machen sollte, und was heute vielleicht besser nicht mehr. Aber das Thema hebe ich mir für später auf.
Motivation zum Kleingartenhaus:
In meinem zweiten Lebensabschnitt lebe ich mit meiner Partnerin in einer 75m² Wohnung in St. Pölten, die mich als „gelernten“ Landmenschen nicht ganz zufriedenstellt. Mir fehlt die Ruhe, Wald und Wiesen in unmittelbarer Nähe und ganz besonders ein Naturgarten. Soviel kann ich verraten: Meine Partnerin, die sich ursprünglich immer zum Stadtleben hingezogen gefühlt hat, kann sich inzwischen auch nicht mehr vorstellen, ohne unser Sommerhaus zu leben, schätzt aber nach wie vor die Vorzüge des Kleinstadtlebens. Es haben ja beide Siedlungsformen ihren Reiz.
Eigentlich war es meine bessere Hälfte, die die Initiative für den Kleingarten ergriffen hat (wofür ich ihr sehr dankbar bin). Ich habe mich entgegen meiner anfänglichen Skepsis aufgrund der den Schrebergartensiedlungen anhaftenden Klischees sofort in die Gegend verliebt. Danach war uns klar, wir wollen dieses Projekt gemeinsam angehen.

von Muehl4tler, samitama

  •  leitwolf
  •   Gold-Award
18.7.2025 16:53  (#1)
Baurechtsgrund
Ich muss vorausschicken, dass das Grundstück nicht in Eigentum zu erwerben oder als Pachtgrund zu nutzen war, sondern nur als Baurechtsgrund. Das bedeutet, man erwirbt für 99 Jahre das Nutzungs- und Baurecht durch Bezahlung eines Kaufpreises. Eingetragen im Grundbuch wird monatlich die Bezahlung von Betriebskosten fällig.
Welche Bebauung?
Zunächst war die Grundsatzfrage für uns zu klären: Nur eine Gartenlaube mit WC, Dusche und Grillplatz, also praktisch eine überdachte Lounge für Schönwettertage und eventuell Übernachtung in lauen Sommernächten, oder ein vollwertiges Kleingartenhaus mit fast allem, was man in einer Wohnung auch zur Verfügung hat.
Mich hätte Variante 1 auch gereizt, weil ich die Low-Tech-Freiluftvariante irgendwie spannend fand, meine bessere Hälfte konnte diesem „Hippieflair“ nicht viel abgewinnen. Somit war klar, es wird ein modernes Kleingartenhaus.
NÖ Kleingartengesetz
Für Bauwerke auf den 32 Parzellen, die zwischen 260 und knapp 300m² groß sind, ist das gültige Kleingartengesetz des Landes NÖ anzuwenden. Das bedeutet, das Haus (in der Verordnung als „Hütte“ bezeichnet), darf nicht für ganzjährige Nutzung gewidmet sein, sprich der Hauptwohnsitz muss wo anders gemeldet werden). Die wesentlichen Rahmenbedingungen der Fassung von 1996 waren; Unterkellerung möglich, 37m² verbaute Fläche, Traufenhöhe max. 3m, Gebäudehöhe max. 4,70m, Nebengebäude max. 4m² mit 2(!)m Gebäudehöhe und angebaut an Hauptgebäude. Ende 2023 wurde die Fassung dann endlich novelliert. Die Änderungen waren: 37m² Innen-Grundfläche, Traufenhöhe max. 3,80m, Gebäudehöhe max. 5,20m, Nebengebäude max. 6m² mit 2,5m Gebäudehöhe (angebaut oder freistehend). Diese Fassung betraf uns insofern, da wir das Nebengebäude 2024 neu einreichten, um es nach der neuen Fassung um 2m² größer bauen zu können.
Zweigeschoßig oder doch eingeschoßig?
Die ersten gebauten Objekte in der Siedlung waren vorwiegend zweigeschoßige Gebäude mit Mansardendach (anders kann man bei diesen Vorgaben auch nicht wirklich zweigeschoßig bauen). Wir hatten in unseren Entwürfen auch zuerst mit zwei Geschoßen probiert, waren damit bezüglich der Platzausnutzung nicht wirklich glücklich, da die Stiege im Innenraum doch viel Platz wegnimmt, vom Raumgefühl ganz zu schweigen.
Als Freund von begrünten Dächern schlug ich vor, statt eines zweiten Geschoßes, einen Dachgarten zu planen, der über eine Außentreppe zu begehen ist. Wir waren beide sofort von der Vorstellung angetan. Die Planung des Grundrisses war nun etwas einfacher geworden und ich musste mich aufgrund meiner Körpergröße keine Sorgen mehr um meinen Kopf machen. Außerdem darf man das zunehmende Alter nicht ausblenden, wo man nicht mehr die Treppe rauf und runter laufen will oder kann, insbesondere nachts. Leben auf einer Ebene hat dann sicherlich Priorität vor ein paar Kubikmeter mehr Stauraum.


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  •  leitwolf
  •   Gold-Award
18.7.2025 16:54  (#2)
Sommerhaus – grundsätzliche Überlegungen
Nun ging es darum, den Grundriss so zu gestalten, dass alles Platz hat, was für uns voraussichtlich Priorität haben wird. Noch einmal zur Erinnerung: es handelt sich bei unserem Projekt um ein Sommerhaus und kein kleines Einfamilienhaus. Will man mit einer mehrköpfigen Familie so ein kleines Haus dauerhaft bewohnen, muss man verglichen mit den in unseren Breiten gewohnten Standard sehr kompromissbereit und minimalistisch denken und die Planung würde sicherlich etwas anders aussehen. Andererseits gibt es sicherlich auch Familien, die aufgrund der Wohnungs- und Geldnot auf sehr kleiner Fläche auskommen müssen. Wir hätten für Gäste noch die Möglichkeit zur Übernachtung auf der Couch oder auf einem Feldbett, möglicherweise aber auch auf dem Dach, aber dazu später.
Bauen mit der Sonne, oder?
Ein Grundsatz jeder Planung: das Gebäude nach der Sonne ausrichten. Das heißt im Klartext Wohnräume mit Küche im südlichen Bereich mit Ausgang auf die Terrasse, Schlafräume und Bäder eher nördlich.
Aber macht das wirklich Sinn, besonders bei einem Sommerhaus?
Wir haben das hinterfragt und sind zum Schluss gekommen: nein, das entspricht gar nicht unseren Ansprüchen, nämlich jederzeit auf der Terrasse unter freiem Himmel im Schatten sitzen zu können. Außerdem bietet die Nordseite eine schöne Aussicht auf einen Hang mit Wiese und Weide, umrahmt durch alte Bäume. Südseitig würden wir auf das Nachbarhaus schauen (auch wenn wir mit den Nachbarn gut befreundet sind). Damit waren alle wesentlichen Argumente gegeben, das Haus mit Terrasse nordseitig auszurichten. Soviel kann ich bereits verraten: wir sind total glücklich damit. Wir können mittags auf der Terrasse im Hausschatten Mittagessen, während sich andere ins Haus zurückziehen müssen, oder unter Markisen schwitzen. Im Grunde kann die Terrasse den ganzen Tag bei trockenem Wetter genutzt werden.
Anordnung des Hauses und grobe Gartenplanung
Das Grundstück ist 14m x 19,5m groß und in Längsrichtung annähernd in nord-südseitig ausgerichtet. Es ist aufgrund der nordseitigen Terrassenanordnung logisch, das Haus möglichst weit nach Süden zu setzen. Auf der Südseite wurden im Bauwich zwischen Haus und Grundgrenze Hochbeete und Blumenbeete eingeplant. Auf der Südseite ist ein geschwungenes Gemüsebeet, abgegrenzt durch eine Trockensteinmauer, eine kleine Blumenwiese und ein kleiner Gartenteich geplant. Ringsherum werden ein paar Obstbäume und Naschhecken gepflanzt. An der Westseite wird ein weinberankter Laubengang errichtet, der eine Nische für eine Gartendusche erhält.

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  •  leitwolf
  •   Gold-Award
18.7.2025 16:56  (#3)
Grundrissplanung
Wer nun glaubt, dass es bloß 30m² sind und das deshalb deutlich einfacher und schneller geht, als ein größeres Haus zu planen, der liegt komplett falsch. Bezogen auf den m² Wohnfläche gerechnet sind die Planungskosten indirekt proportional. Daher habe ich die Planung selbst übernommen (hatte also nicht ganz umsonst 2 Semester Architektur inskribiert 😉). Während beim EFH ein paar cm ziemlich egal sind, kommt es hier tatsächlich auf jeden cm an. Wir mussten von Anfang an maßstäblich planen. Einen Handskizzenentwurf ohne Maßstab kann man komplett vergessen, da man die Größe des Innenraumes im Regelfall überschätzt.
Für den Eingang ins Haus ist eigentlich nur eine Tür praktikabel, wenn man die Einrichtung platziert. Man verliert sonst zu viel Platz. Bei uns ist die Eingangstür gleichzeitig die Terrassentür. Bei manch anderen Häusern, die wir gesehen haben, wurde von Anbietern strikt nach EFH-Vorbild mit getrennter Eingangs- und Terrassentür geplant, zum Teil auch auf der gleichen Hausseite. Nur eine Tür zu haben, ist natürlich auch eine nicht unerhebliche Kosteneinsparung, wenn man die gleichen Anforderungen an eine Eingangstür stellt, wie beim EFH. Bei Häusern ab 50m² Grundfläche dürfte eventuell eine zweite Tür Sinn machen, abhängig vom Grundriss. Unser Eindruck von vielen Tinyhaus-Grundrissen war: da hat jemand ein Einfamilienhaus miniaturisiert mit winzigen Zimmern und Nischen. Meine Meinung dazu ist, individuell planen und alles hinterfragen, was beim EFH immer dabei sein muss. Räume müssen multifunktionell sein, sonst fühlt man sich beengt und „eingekastelt“.
Nebengebäude (Abstellraum angebaut)
Wir haben den Abstellraum angebaut geplant (in der aktuellen Fassung des NÖ KGG wird auch ein freistehendes Gebäude oder Gewächshaus ermöglicht). Das Dach des Nebengebäudes dient nämlich auch als Zwischenpodest für die Stiege auf das Dach. Um eine angenehme Raumhöhe und mehr Stauraum zu erhalten, wurde das Eingangsniveau des Abstellraums um 30cm gegenüber dem EG-Niveau des Haupthauses abgesenkt.
Grundrissentwurf
Für uns war eine geräumige Küche im Rahmen der Möglichkeiten ein wichtiger Punkt. Wir kochen und essen gerne Selbstgemachtes mit saisonalem Gemüse und Obst aus dem Garten. Im Gegenzug haben wir das Bad vielleicht kleiner gemacht, als sich das manche wünschen würden. Auch haben wir auf ein Schrankbett verzichtet, damit man sich auch tagsüber rasch für ein paar Minuten hinlegen kann, ohne etwas umbauen zu müssen. Wir haben eine Garderobe, eine Eck-Esscouch mit höhenverstellbarem Ausziehtisch, eine Küche mit ausreichend Arbeitsfläche, ein bequemes Doppelbett und ein Bad mit Waschbecken (mit Platz für eine Waschmaschine), Dusche, WC, Bidet und im Bad befindet sich auch noch ein Eck für die Haustechnik.


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  •  Pedaaa
  •   Gold-Award
18.7.2025 19:41  (#4)
Super interessant. Bitte weiter berichten.
Vor allem die Haustechnik wird hier spannend 😉

Find das Konzept sehr gelungen, und würde meinen, sogar im Bad ist komfortabel genug Platz.
Und die Küche lässt auch keine Wünsche offen.
Die Technik auf den kleinen Raum wird aber spannend.

Auch glaub ich, würde mir das Essen auf der Couch auf die Dauer auf die Nerven gehen.
Da würd ich wohl eher echte Bestuhlung aufstellen, und stattdessen öfter mal das Bett als Couch missbrauchen?! 
Aber da hat glaube ich jeder andere Vorlieben bzw. kann das immer noch alles leicht an die Bedürfnisse angepasst werden.

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  •  Fino
  •   Bronze-Award
18.7.2025 22:04  (#5)
Nachdem ich die Gegend sehr gut kenne 😉 weiß ich genau was du daran so schätzt. Ich glaube Pedaaa bei der Anrichte kann man locker zu zweit mit Sesseln essen. Ich finde es wirklich sehr interessant wie auf so kleinem Raum doch alles Platz hat. Die Küche und das Bad sind richtig groß 😀. Ich freu mich auch auf weitere Berichte und vor allem auf die Haustechnik. 

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  •  Akani
18.7.2025 22:31  (#6)
Cooles Projekt. Der Plan ist gut gelungen. Bleibt definitiv spannend. Auch welche Wandaufbauten ,Technik,..... bin gespannt wie es weiter geht. Hoffe am Ende auf echte Bilder 

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  •  leitwolf
  •   Gold-Award
19.7.2025 7:59  (#7)

zitat..
Pedaaa schrieb: Super interessant. Bitte weiter berichten.
Vor allem die Haustechnik wird hier spannend 😉

Find das Konzept sehr gelungen, und würde meinen, sogar im Bad ist komfortabel genug Platz.
Und die Küche lässt auch keine Wünsche offen.
Die Technik auf den kleinen Raum wird aber spannend.

Ja, die Haustechnik war spannend. Ein wichtiger Teil ist im Abstellraum untergebracht. Dazu komme ich später noch ausführlich.


zitat..
Pedaaa schrieb: Auch glaub ich, würde mir das Essen auf der Couch auf die Dauer auf die Nerven gehen.
Da würd ich wohl eher echte Bestuhlung aufstellen, und stattdessen öfter mal das Bett als Couch missbrauchen?!

Ja, das war auch ein Diskussionsthema bei unserer Planung. Ursprünglich hatten wir einen Tisch mit Sesseln geplant. Durch unser Probewohnen auf der Baustelle haben wir festgestellt, dass wir fast nur draußen essen. Damit fiel unsere Entscheidung auf eine bequeme Couch (selbstgebaut), die aufgrund der hohen Rückenlehne (mein ausdrücklicher Wunsch) auch als Raumteiler dient. Dazu kommt dann auch noch ein kurzer Bildbericht.


zitat..
Fino schrieb: Nachdem ich die Gegend sehr gut kenne 😉 weiß ich genau was du daran so schätzt. Ich glaube Pedaaa bei der Anrichte kann man locker zu zweit mit Sesseln essen.

Hast du es schon einmal live gesehen? Ja, bei der Kücheninsel kann man zu zweit sitzen.


zitat..
Akani schrieb: Hoffe am Ende auf echte Bilder

Ja, die folgen noch. Bleib dran!




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  •  Zypern
19.7.2025 9:13  (#8)
Niedlich!

Mit Spiegeln innen an strategisch guter Stelle gewinnt es nochmals an Größe. Oder eine von diesen neumodernen trompe l'oel Tapeten, die den Raum weit machen. LG

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  •  MissT
  •   Gold-Award
19.7.2025 10:26  (#9)
Ein spannendes Projekt - danke für die Dokumentation!

Mir wäre eine bauliche Trennung von Schlaf- und Wohnbereich wichtig, damit man sich auch mal in unterschiedliche Bereiche zurückziehen kann, unterschiedliche Uhrzeiten für das Schlafengehen und Aufstehen unproblematisch sind oder auch wenn Gäste kommen.

Spannend wird auch die Frage, ob so ein Tinyhouse eine KWL KWL [Kontrollierte Wohnraumlüftung] bekommen wird! 🤪 

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  •  christoph1703
19.7.2025 10:32  (#10)

zitat..
MissT schrieb: Spannend wird auch die Frage, ob so ein Tinyhouse eine KWL KWL [Kontrollierte Wohnraumlüftung] bekommen wird! 🤪

Ist das wirklich eine Frage? Wir reden hier vom Herrn Lüftung persönlich 😄


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  •  speeeedcat
  •   Gold-Award
19.7.2025 12:21  (#11)
Ich überlege auch, wo sich dein Projekt befindet.
Ist in St.P, an der Traisen, in der Nähe des SKN?
Dann wären wir ja fast Sichtnachbarn, habe mein Büro dort in der Nähe der KG-Siedlung.

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