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Warum nicht ein Passivhaus?

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  •  aHouseInTheMiddle
18.3. - 22.3.2023
10 Antworten | 9 Autoren 10
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Liebe Forenmitglieder,

ganz kurz gefasst ist meine Frage: wie stehts eigentlich um die Nachfrage nach Passivhäusern?

Ich plane ein Bauvorhaben in Bayern, wo zurzeit für den Neubau nur noch ein hoher Dämmstandard gefördert wird. Ich habe jüngst den Vortrag eines Herstellers gehört, der auf den Bau von Passivhäusern in Holzständerbauweise spezialisiert ist. Auch den Themenschwerpunkt auf dieser Seite zum Thema PH und öffentlich verfügbare Informationen vom PH-Institut habe ich mir zu Gemüte geführt. Um Missverständnisse auszuräumen: mit PH meine ich Häuser, die so stark gedämmt sind und passive Wärmenquellen nutzen, so dass man sie quasi nicht mehr heizen muss.

Jüngst war ich bei einem lokalen Architekten, die auf Energieeffizienz fokussiert sind und auch auf ihrer webpage zum PH schreiben. Ich war etwas überrascht, als mir sie mir berichteten, dass sie praktisch keine PHs bauen, weil es danach keine Nachfrage gibt und dass das eher so in der Generation vor ihnen (Eltern waren auch Architekten) in Mode war.

Wenn man im Internet recherchiert, findet man tatsächlich viele Beiträge zwischen 2000-2010, wo das PH in vieler Munde ist, danach kommt weniger. Wir sind in einer Zeit, wo man aufgrund explodierender Baukosten alles weglässt augenscheinlich unnötige weglassen muss (Keller?). Ich hab schon die Aussage gehört, man solle sich das mit dem Wohnzimmer überlegen, weil daheim ja eh jeder nur noch alleine in sein Smartphone glotzt emoji Wenn sich viele Leute eh schon ein hoch gedämmtes Haus bauen, um an Fördergelder zu kommen, warum dämmt man nicht noch ein bisschen mehr und lässt dann die Heizung (mehr oder weniger) weg?

Ich habe des Gefühl, dass das PH immer noch ein Nischenprodukt ist und nicht so weit im Mainstream angekommen ist, wie man das eigentlich meinen könnte bei der Entwicklung von Baukosten und Energiepreisen. Was meint ihr, sind die Gründe hierfür?

  •  taliesin
  •   Gold-Award
18.3.2023  (#1)
Vielleicht bringen ein paar Zahlen mehr Licht in diese Entwicklung:

Passivhäuser haben einen Heizwärmebedarf von <15kWh/m²a, geht man von einem EFH mit 150m² beheizter Fläche aus, sind das 2250kWh/a. Würde man diese Energiemenge direkt-elektrisch einbringen wäre man bei unter 1000€/a (<44ct/kWh), alleine die Kosten für den Wärmeerzeuger (über 20 Jahre abgeschrieben) übersteigen heutzutage diese Summe.

... aber. Warmwasser braucht es ja auch noch und das sind irgendwo bei 4000kWh/a (4 Personen-Haushalt) und da geht dann die Rechnung nicht mehr so toll auf. Also direkt-elektrisch wäre es mit 20ct/kWh vielleicht noch ok (<1300€), aber bei 40ct schon recht lästig und vor allem sehr empfindlich gegenüber den Energiekosten!

Die ersten PH hatten eine Luft/Luft und Luft/Wasser-WP, um diese Kosten zu senken, die Luftheizung kommt aber mit den bekannten Problemchen daher. Um PH-typische 10W/m² Heizleistung zu erzeugen, braucht man bei 5K Temperaturhub für die 150m² (1.5kW Heizlast) ca. 1000m³/h Luftvolumenstrom. Selbst wenn das noch machbar wäre (hohe Querschnitte erforderlich), wäre die Luft im Winter vermutlich sehr trocken und ein gewissen Vogelhausfeeling wohl nicht zu vermeiden.

Von daher war ein PH nie wirklich gut umsetzbar ..., meine Planung 1999 in diese Richtung ist auch in sich zusammengefallen. Alle konzeptionellen Abweichungen, z.B. ein zentraler Ofen mit offener Raumgestaltung, bringen andere Nachteile mit sich.

Einem PH kommt somit ein sehr gut gedämmtes, sehr dichtes, gut auf solare Gewinne ausgerichtetes Haus mit einer möglichst kleinen WP WP [Wärmepumpe] und großen Wärmeverteilflächen am nächsten. Denkbar wäre es hier vermutlich nur mit einer BKA BKA [Betonkernaktivierung] zu arbeiten und die FBH FBH [Fußbodenheizung] wegzulassen. Die Kosten könnten dann vermutlich ähnlich niedrig sein, wie bei den Passivhäusern der 2000er Jahre (inflationsbereinigt natürlich).

Berhan's Haus geht in diese Richtung, dort waren dann die Kosten für eine Erdwärmepumpe nicht mehr zu rechtfertigen, er hat irgendwo bei 7kWh/m²a und eine Luftwärmepumpe, aber auch eine FBH FBH [Fußbodenheizung]. Aus meiner Sicht konsequent fertiggedacht.

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  •  rabaum
  •   Gold-Award
19.3.2023  (#2)
Gut erklärt mit kleinen Einschränkungen.

zitat..
taliesin schrieb: Heizwärmebedarf von <15kWh/m²a, geht man von einem EFH mit 150m² beheizter Fläche

Der HWB wird aber von der BGF ermittelt. Insofern sind wir da schon eher bei 2.700 kWh.

zitat..
taliesin schrieb: Warmwasser braucht es ja auch noch und das sind irgendwo bei 4000kWh/a

Ein WWWB von 4 MWh ist für mich zumindest nicht mehr Passiv-Lifestyle sondern eher Kategorie Pritschler. Da wäre schon der Anspruch, diesen deutlich unter 3 MWh zu halten.




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  •  dyarne
  •   Gold-Award
19.3.2023  (#3)
das Passivhaus ist am extremistischen ansatz gescheitert. dämmung statt heizung

das Passivhaus hat sich durchgesetzt, weil seit 2 jahren eu-weit der niedrigstenergiehausstandard vorgabe ist, das nzeb -> nearly-zero-energy-building.

im gegensatz zum klassischen passivhaus gibt es hier eine qualitative, keine quantitative definition. 

jeder neubau den wir begleiten ist ein nzeb, ein 'fast' passivhaus. 
der heizwärmebedarf liegt bei 5-8000 kwh/a, der warmwasserwärmebedarf bei 2000 kwh/a

das ergibt mit hocheffizienter integrierter erdwärmelösung und einer jaz zwischen 5 und 6 einen strombedarf von rund 1.500kwh/a und kosten von € 3-500,- für heizung/warmwasser/kühlung

das ganze mit optimierter, integrierter haustechnik, speicherquelle erdwärme, speichersenke flächenheizung&bauteilaktivierung, passiver kühlung...

das ist das komfortable zukunftshaus von heute, optimiert auf sektorkopplung und pv-nutzung.

gibts hier im forum dutzendfach zum nachlesen...

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  •  taliesin
  •   Gold-Award
19.3.2023  (#4)

zitat..
dyarne schrieb: und kosten von € 3-500,- für heizung/warmwasser/kühlung

Mich stört bei dieser Rechnung immer, dass die Abschreibung der Heizanlage ignoriert wird und das war ja was sich der OP und die PH-Szene gewünscht hätten, nämlich möglichst niedrige Anlagenkosten.

Ich finde den Ansatz auch charmant, wenn auch vielleicht wirklich etwas extremistisch.


zitat..
rabaum schrieb: zumindest nicht mehr Passiv-Lifestyle

Nein, eher geprägt vom eigenen 3-Frauen-Haushalt emoji


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  •  atma
  •   Gold-Award
19.3.2023  (#5)
Wir haben so ein PH mit Fußbodenheizung und Luftwärmepumpe. Ursprünglich wollten wir ein Niedrigstenergiehaus bauen mit einigen Extras wie eben Wohnraumlüftung und wirklich guten Fenstern. Unsere Baufirma meinte dann, dass da jetzt nicht mehr viel hin ist zum PH. 

im Endeffekt ist ein Richtung Süden ausgerichtetes Haus mit viel Licht und wenigen laufenden Kosten herausgenommen in dem wir uns sehr wohl fühlen.
Rein über die Luft heizen und dann eben auch noch KWL KWL [Kontrollierte Wohnraumlüftung] würde ich mich nicht trauen, das klingt schon nach seeehr trockener Luft. Bei uns läuft die Fußbodenheizung nur wenige Wochen im Jahr im Winter. Im Sommer jedoch wird bei Bedarf darüber gekühlt. 
Durch die 30cm Dämmung haben wir das ganze Jahr über ein sehr angenehmes Klima. Ich würde es jederzeit wieder genau so machen. 


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  •  speeeedcat
  •   Gold-Award
20.3.2023  (#6)
Wir haben es ungefähr so wie talesien es beschreibt, ein gutes Niedrigstenergiehaus mit kleinst-WP und Lüftung integriert und einem 4KW-Kamineinsatz zum Abfedern der Spitzenlast (haben wir aber aus diesem Grund noch nie gebraucht).

Ohne FBH FBH [Fußbodenheizung] würde ich mich nie drübertrauen, auch nicht wie Atma beschreibt nur für ein paar Wochen einschalten. 
Meinen drei Frauen und auch mir taugen konstant 23,5° überaus. Vor allem wenn es draußen nasskalt und windig ist, ist ein lauwarmer Boden und eine dementsprechende Temperatur ein Muss. Ebenso wenn wer verkühlt ist und es ohnedies fröstelt.

Verbrauch für 4 Erwachsene (+1 Freund) für Heizkosten, Warmwasser, Kühlen und Lüften: rund 2.600 bis 2.800 kWh/a. Sicher der konstant hohen Innentemperatur geschuldet.

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  •  Gast-Karl
  •   Gold-Award
21.3.2023  (#7)
Der Hauptgrund warum das PH im letzten Jahrzehnt keinen hohen Marktanteil mehr hatte, waren die extrem niedrigen Energiepreise. Das hat sich aber mittlerweile ja glücklicherweise geändert, und die Dringlichkeit den Gesamtenergieverbrauch zu reduzieren (Stichwort Klimakrise), ist mittlerweile auch schon bei vielen angekommen, weshalb man langsam wieder kleiner baut, oder man z.B. mit Regenwaldduschen eher nicht mehr punkten kann usw...

Leider ist es auch ein Irrtum, dass 23 bis 25° Raumtemperatur gut für die Gesundheit sind. Ich war schon seit Jahren nicht mehr krank (außer 1x Covid) und die RT RT [Raumtemperatur] ist ein reiner Gewöhnungsfaktor. Wir hatten einmal Leute aus der Ukraine bei uns, die schon bei unseren 20° meinten es sei viel zu warm, und im Bauernhaus meiner Verwandten im Waldviertel gabs früher im Winter Eisblumen an den Fenstern innen, wobei die Leute auch nicht krank wurden.

Mittlerweile ist es auch relativ kostengünstiger geworden PH-nah zu bauen, da Fenster mit Ug 0,5 und G-Wert >= 60% Massenware sind und die Dämmstoffe sich auch weiterentwickelt haben (unsere Dachdämmung hat z.B. WLG 018).

Wenn man Kosten sparen will und auf eine geräuschlose Luftheizung setzen möchte ist man nicht mehr wie damals an die KWL KWL [Kontrollierte Wohnraumlüftung] mit ihren Nachteilen gebunden, sondern kann mit Klimageräten und ~300m³/h bei 19dB je Innengerät auch einen SCOP von über 5 erzielen, und hat trotzdem keine trockene Raumluft.
Wie @­taliesin richtig schreibt, sollte man die Abschreibung auf alle Fälle in die Rechnung mit einbeziehen...

Bei der Haus-Planung sollte man auch berücksichtigen, dass ein Haushalt in Ö im Schnitt statistisch von weniger als 2 Personen bewohnt wird, und Teenager mit Duschorgien nur eine Übergangserscheinung sind...

Details, warum wir z.B. nur ~700kWh/a für die Heizung benötigen, habe ich schon in anderen Threads beschrieben (z.B. https://www.energiesparhaus.at/forum-waermepumpe-vs-elektro-heizung/71649_1#723597 ff).
Finanziell zahlt es sich jedenfalls aus, ein paar Euro mehr in Dämmung zu investieren, sodass man u.a. auch leicht mit dem Gesamtstromverbrauch in die Strompreisbremse fallen kann...
Leider ist bei den meisten Handwerkern und Baumeistern noch old school verbreitet, wodurch man viel Überzeugungsarbeit leisten muss, oder auch selbst Hand anlegen oder einkaufen muss (musste z.B. meine Wärmerückgewinnung für die Dusche übers Internet kaufen, da sie der Installateur gar nicht kannte).

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  •  cc9966
  •   Gold-Award
21.3.2023  (#8)
Meiner Meinung nach ist es schwierig ein Passivhaus umzusetzen, wegen dem Greenfield-Ansatz. Viele Grundstücke sind ungeeignet für Würfel-Formen mit dem besten Innenvolumen zu Aussenflächen-Verhältnis. Aber das Passiv-Haus ist nicht gescheitert. Wenn die Voraussetzungen durch Grundstücklage, Sonnenausrichtung usw. gegeben sind, es mit den individuellen Architektur-Bedürfnissen zusammenstimmt, dann ist es fast Pflicht so zu bauen! Aber ohne Heizung wäre mutig. Ich hätte vermutlich den Mut für Luft/Luft-Wärmepumpe, in skandinavischen Länder ist es sehr üblich, keine wassergeführte Heizung zu haben. Die meisten wollen halt auf den Komfort einer FBH FBH [Fußbodenheizung] oder von Radiatoren nicht verzichten.


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  •  monika1979
  •   Gold-Award
22.3.2023  (#9)

zitat..
cc9966 schrieb: Meiner Meinung nach ist es schwierig ein Passivhaus umzusetzen, wegen dem Greenfield-Ansatz.

Passivhaus ist trotzdem möglich! Nur eine Frage des Aufwands. Unser Haus ist weit weg vom Würfel und bei uns ging es sich mit 30cm Dämmung gerade nicht aus. (HWB 11,3 ). Mit noch etwas mehr Optimierung (Fenster, die etwas besser wären haben und nicht so gut gefallen, ein großes Fenster nordseitig weglassen trotz schöner Aussicht) wäre es sich ausgegangen.
Ich liebe unser Haus, das angenehme Wohngefühl und die niedrigen laufenden Kosten.




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  •  Wiesi87
  •   Bronze-Award
22.3.2023  (#10)
Wir haben uns auch nicht drübergetraut die wasserführende Heizung wegzulassen. Kostentechnisch hatten wir allerdings auch kaum Aufpreis, weil wir ohnehin Passivhaus-taugliche Fenster genommen hätten und die 40cm Dämmung (Wand 6cm Holzweichfaserdämmplatte, 28cm Zellulose, 8cm Steinwolle in der Installationsebene / Dach 40cm Zellulose) hat nur einen geringen Aufpreis ausgemacht. Mit einem nicht wasserführenden Heizsystem (also echter Passivhausausführung) hätten wir allerdings deutlich Geld gespart. 
Wir hatten Angst vor kalten Fliesenböden und es war uns nicht klar, dass diese bei den geringen Vorlauftemperaturen die unser Haus für 22 Grad RT RT [Raumtemperatur] benötigt, ohnehin nicht "warm" werden. Nun verwenden wir einen elektrischen Badheizkörper, weil wir es im Bad gern wärmer haben (23,5 Grad) und zwar auch außerhalb unserer Heizsaison von zuletzt November bis Feber. Wir haben für Heizung inkl. Badheizkörper und Heizregister der KWL KWL [Kontrollierte Wohnraumlüftung] (wenn die Aussenluft deutlich ins Minus geht, damit der EWT nicht einfriert) diesen Winter 680 kWh gebraucht mit LWWP LWWP [Luft-Wasser-Würmepumpe]. (War natürlich ein ausgesprochen warmer Winter)
Das hätten wir mit einer KWL KWL [Kontrollierte Wohnraumlüftung], Klimaanlage und BWWP bei ähnlicher Effizienz und ws. noch besserem Komfort (Kühlung, Entfeuchtung im Sommer mit Klimaanlage noch besser als mit FBH FBH [Fußbodenheizung] und EWT) haben können. Unsere KWL KWL [Kontrollierte Wohnraumlüftung] (die wir ja in jedem Fall hätten) hat inklusive allem ca. 8k gekostet, das restliche Heizsystem inkl. Warmwasserbereitung 16k. (Multi-)Splitklima und BWWP wären sicher darunter geblieben, da wir auch nur ein kleines Modell benötigt hätten.
Also mit Holzbauweise ist passiv meiner Meinung ohne Aufpreis möglich und mit super Komfort. 
Und die nochmals niedrigeren Energiekosten hab ich immer als Vorteil.

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