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Angebotsüberschreitung um 77% bei Arbeit

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  •  Chefin
10.8. - 22.8.2016
9 Antworten 9
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Hallo!

Folgende hypothetische Situation:

Eine Handwerksfirma hat für Sanierungsarbeiten folgendes – unverbindliches – Angebot erstellt:
Materialkosten: 9.500 Euro
Arbeitszeit nach tatsächlichem Aufwand, geschätzt: 6.500 Euro

Nach Fertigstellung der Arbeiten wurde die Endabrechnung wie folgt ausgestellt:
Materialkosten: 10.100 Euro
Arbeitszeit: 11.500 Euro

Eine Überschreitung der Arbeitszeit in diesem Ausmaß war von der Firma während der Arbeiten nicht dem Auftraggeber mitgeteilt worden.
Lediglich wurde das ein oder andere Mal darauf hingewiesen, dass sich gewisse Arbeiten länger hinausgezogen hätten, aufgrund erschwerter Bedingungen durch schlechtes Wetter oder unvorhergesehener Probleme an der Haussubstanz. Dabei wurden jedoch keine Zahlen genannt, nur dass es länger gedauert hat.

Welche Möglichkeiten hat der Auftraggeber nun?
Gibt es einen gesetzlichen Rahmen, wie weit ein unverbindliches Angebot überschritten werden darf?

Könnte man der Firma anbieten, statt der ursprünglich 6.500 Euro, 10.000 Euro zu bezahlen?
Somit würde der Auftraggeber 3.500 Euro mehr bezahlen als das Angebot ausgemacht hat – die Firma hingegen müsste auf 1.500 Euro „verzichten“?

Freue mich auf Eure Einschätzung!

Danke!

  •  Andi1979
19.8.2016  (#1)
Gute Frage. Solche Endabrechnungen "passieren" wohl öfters und auch ich hab bei 1-2 Gewerken schon etwas Angst dass sowas ähnliches kommen könnte.

Was tun? Hat sich jemand schon damit beschäftigt? Unter vorgehaltener Hand hört man öfters was von 10% die die Endabrechnung nicht übersteigen darf.

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  •  Twenty
  •   Bronze-Award
19.8.2016  (#2)
Meines Wissens nach sind es 20%, bei allem darüber muss er dich schriftlich darauf hinweisen

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  •  orlando
  •   Bronze-Award
19.8.2016  (#3)
Die 20% gelten nur bei unverbindlichen KVs. Bei verbindlichen KVs darf gar nicht überschritten werden. Ein KV an einen Konsumenten ist, wenn nicht abweichend ausdrücklich formuliert, immer verbindlich. Von Fa. an Fa. ist ein KV (wenn nicht anders ausdrücklich formuliert) immer unverbindlich. Das ist, was die meisten Firmen nicht berücksichtigen und glauben sie dürfen auch bei KV an Konsumenten 20% überschreiten.

siehe
https://www.wko.at/Content.Node/Service/Wirtschaftsrecht-und-Gewerberecht/Allgemeines-Zivil--und-Vertragsrecht/Vertragsrecht-allgemein/Kostenvoranschlag_-_Allgemeiner_Ueberblick.html

LG

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  •  Andi1979
19.8.2016  (#4)
Ok, danke!

Darf ich hier gleich nachfragen:

Angenommen ich erhalte ein Angebot für Estrich. Kein Hinweis dass es unverbindlich wäre. Kein Hinweis punkto Satz/Druckfehler.
Lediglich "Abrechnung erfolgt lt. Lieferschein"

Bei der qm Berechnung ist dem Lieferanten ein Komma-Fehler passiert.
Kann ich tatsächlich den günstigen Preis einfordern? (~15% günstiger als vergleichbare Konkurrenzprodukte)

Ich vermute nicht...

Es ist halt sehr nervig wenn solche Fehler wie diese öfters im Laufe eines Bauvorhabens passieren... Ich kann schließlich nicht jedesmal zur Bank gehen und dort sagen "hoppla, die Angebote sind 'falsch', wir brauchen mehr Kredit".

- Weil der Estrich Anbieter hat "versehentlich" 80m² zu wenig gerechnet.
- Der Baumeister hat "versehentlich" 3 Tage Bagger für den Aushub zu wenig gerechnet.
- Der Fenstermonteur hat "versehentlich" eine Pauschale verrechnet die beim ersten Angebot drin war, beim korrigierten 2ten Angebot nicht, und jetzt wieder doch

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  •  Stefan86
  •   Gold-Award
21.8.2016  (#5)
ja das wär intressant. zb beim rohbauangebot das man dann unterzeichnet und der ingineur sich bei den naterialen verschätz/verrechnet und zb mehr eisen oder beton aufgeht als im angebot

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  •  Andi1979
22.8.2016  (#6)
meiner Meinung nach entwickelt sich die Angebots-Kultur in vielen Bereichen in eine falsche Richtung...

Statt sauber zu rechnen oder Angebote zu aktualisieren kommt laufend das Totschlag-Argument dass man "es nicht genau sagen kann", der berühmte "+- Tausender" bzw. "nach Aufwand"oder "wird eh nicht viel mehr als beim 1sten Angebot".

Das Fazit ist dass man sich als Häuslbauer dann öfters wie ein Bittsteller fühlt, nur weil man die Kosten exakt planen muss. Und extra Reserven einrechnet weil in der Baubranche Beratungs- und Angebotsmängel zu oft toleriert werden (müssen)

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  •  Richard3007
22.8.2016  (#7)

zitat..
Andi1979 schrieb: Und extra Reserven einrechnet weil in der Baubranche Beratungs- und Angebotsmängel zu oft toleriert werden (müssen)


Die Ursache dazu liegt aber auch wieder beim Häuslbauer. Da der Unternehmer Angst haben muss, das er den Auftrag nicht bekommt, wenn er eine Materialreserve einrechnet für unvorhergesehenes. Man kann auch sagen, das die Unternehmer oftmals absichtlich einen Mangel erstellen um günstiger als der MBW zu wirken. Jene die es nicht tun, sind aber auch wieder die großen in der Branche. Da sagt man allgemein, sind zwar teurer aber es gibt keine bösen Überraschungen.

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  •  stretch4u
  •   Bronze-Award
22.8.2016  (#8)
Habe gerade ein ähnlich gelagertes Problem mit meiner BM Firma. Es wurden bei einem Punkt im Bauvertrag zu wenige Meter und m2 gerechnet. Der Fehler liegt bei der Firma. Die Polierpläne gab es ja, nur wurde halt was falsches angenommen bzw. gerechnet.

Jetzt ist die Rechnung um zusätzliche 124% höher als wie im Angebot.

Die Arbeiten sind noch nicht durchgeführt. Habe ich eine Chance die Arbeiten dennoch zum Angebotspreis durchgeführt zu bekommen? Ich fühle mich grade etwas verarscht, so nach: "Jaja, das kostet so und so viel. Hier die Pläne und das Angebot." Und mittendrin kommt man plötzlich drauf: "Ups, da hamma sich vertan. Jetzt kostet es mehr als das doppelte."
Und ich steh da, muss das Gewerk fertig bringen weil ja alle nachfolgenden Arbeiten darauf warten und werde damit quasi erpresst.
Was würdet ihr machen?

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  •  Andi1979
22.8.2016  (#9)

zitat..
Richard3007 schrieb: Die Ursache dazu liegt aber auch wieder beim Häuslbauer. Da der Unternehmer Angst haben muss, das er den Auftrag nicht bekommt


mMn muss kein Unternehmer der gute Arbeit macht Angst vorm Preisvergleich haben. Niemand hier baut sein komplettes Haus nur auf Basis vom günstigsten Preis. Da gibts immer Gewerke die teurer sind, und welche die günstiger sind.

Er muss halt den Mund aufmachen und sagen "ich koste mehr, WEIL", dann braucht er keine Angst haben, ganz im Gegenteil :)

zitat..
stretch4u schrieb: Und mittendrin kommt man plötzlich drauf: "Ups, da hamma sich vertan. Jetzt kostet es mehr als das doppelte."


DAS ist die eigentliche Schwierigkeit. Sie nehmen sich keine Zeit oder haben schlicht keine Zeit um ordentliche Angebote zu erstellen.
Ich wette dass fast ein jeder Häuslbauer der die Gewerke einzeln vergeben hat, es zumindest 1 oder 2 mal mit falscher bzw. unrealistischer Angebotslegung zu tun hatte. Oder anders gesagt: das ist das täglich Brot, solche Schlampereien.

Ich arbeite zwar nicht in der Baubranche, aber wenn ICH mich bei einem Kunden um einen 1000er verrechne, dann kann ich mich warm anziehen.

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